29. Juni 2021 Europabrief

GdW Europabrief 08/2021

Konkrete Maßnahmen zur Beseitigung der Obdachlosigkeit bis 2030

Am Montag, den 21. Juni 2021, unterzeichnete das Europäische Parlament die Erklärung von Lissabon, die die Bekämpfung von Obdachlosigkeit und das Angebot von sicheren und zugänglichen Unterkünften für alle bis 2030 zum Ziel hat.
Die Erklärung, die gemeinsam vom Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission, mehreren Mitgliedstaaten und Interessenvertretern verabschiedet wurde, soll das Engagement aller relevanten Akteure bündeln, um bis 2030 die Beseitigung von Obdachlosigkeit voranzutreiben.
Konkret haben sich die 27 EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bis 2030 dafür zu sorgen, dass niemand mehr aus Mangel an bezahlbaren Notunterkünften auf der Straße schlafen muss, dass niemand länger als nötig in Übergangsunterkünften leben muss, dass niemand aufgrund seines Status als Obdachloser diskriminiert wird, dass niemand ohne ein Angebot für eine geeignete Unterkunft zurückgelassen wird und dass niemand ohne Unterstützung bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft zwangsgeräumt wird.
Dabei wurde die neue Europäische Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit ins Leben gerufen, die darauf abzielt, Erfahrungen auszutauschen und die politischen Entscheidungen zu diesem Thema zu verbessern, u. a. durch eine verstärkte Überwachung der Obdachlosigkeit in allen EU-Ländern.
Das Europäische Parlament betonte, dass, obwohl Wohnen ein grundlegendes Menschenrecht ist, immer noch 700 000 Menschen auf der Straße leben. Dies entspricht einem Anstieg von 70 % in den letzten zehn Jahren, wobei diese Zahl wahrscheinlich durch die Krise infolge der Covid-19-Pandemie noch erhöht wurde.
Auch Housing Europe und SGI Europe, die europäischen Dachverbände des GdW für die Wohnungswirtschaft und für öffentliche Unternehmen und Arbeitgeber, haben die Erklärung unterzeichnet und den Start der EU-Plattform zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit begrüßt.
In seiner Stellungnahme betonte Housing Europe, dass die entscheidende Rolle der Plattform darin bestehe, das gegenseitige Lernen zu fördern sowie den Austausch sowohl quantitativer als auch qualitativer Daten zur Obdachlosigkeit zu gewährleisten. Dabei gehe es nicht nur um das Wohlergehen des Einzelnen, sondern vor allem auch um die Auswirkungen auf die Nachbarschaft.  Es werden nachhaltige und intelligente Lösungen benötigt, die in die Wohnungspolitik auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene integriert werden sollten.
Es sei deutlich, dass dieser zielgerichtete Ansatz eine radikale Aufstockung der Mittel sowohl für den Wohnungsbau als auch für Sozial- und Gesundheitsdienste erfordere. In der Tat seien starke Partnerschaften zwischen sozialen und öffentlichen Wohnungsanbietern mit Sozial- und Gesundheitsdiensten der Eckpfeiler vieler erfolgreicher Projekte, die Obdachlosigkeit bekämpfen. Um das Problem anzugehen, müsse in vielen Fällen die Angebote an Obdachlose und hiervon betroffen erarbeitet werden.
Während etwa 700.000 Menschen als obdachlos gelten, werden laut einer Studie über 10 Millionen Menschen in der EU innerhalb der nächsten 3 Monate ihre Wohnung verlassen müssen, weil sie sich diese nicht mehr leisten können.  Diese Zahlen, die mit der aktuellen Wirtschaftskrise und dem Verlust von Arbeitsplätzen zusammenhängen, werden die Obdachlosenzahlen voraussichtlich steigen lassen.
Die Plattform müsse, nach Ansicht von Housing Europe, daher den Beginn eines grundlegenderen Wandels im EU-Ansatz für den Wohnungsbau einläuten, in Übereinstimmung mit der jüngsten Forderung der OECD nach „erneuerten öffentlichen Investitionen in den sozialen und erschwinglichen Wohnungsbau, einschließlich erheblicher Investitionen in den Bau und die Erweiterung des sozialen Wohnungssektors“.  Dieser Wandel, der in der Tat ein stärkeres staatliches Engagement im Wohnungswesen fordert, soll Widersprüche in der EU-Politik aufgreifen, die für weniger staatliche Eingriffe plädiert, wenn der Bestand an Sozialwohnungen reduziert und marktorientierte Mechanismen verstärkt werden.
Interessenvertreter, die sich auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene für die Bekämpfung von Obdachlosigkeit einsetzen, sind eingeladen, die Erklärung zu unterzeichnen.
Die Einrichtung der Plattform hat zuerst einmal keine legislativen Auswirkungen, sondern dient im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung dazu, die Politiken der Mitgliedstaaten in Themenbereichen außerhalb des Kompetenzrahmens der EU unterhalb der gesetzgeberischen Ebene abzustimmen.

Özgür Dr. Özgür Öner 0032 2 5501611