28. Februar 2022 Europabrief

GdW Europabrief 02/2022

Fraunhofer Institut: Einspeisung von Wasserstoff ins Gasnetz sollte vermieden werden

Am 27. Januar 2022 veröffentlichte das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) den von der European Climate Foundation in Auftrag gegebenen Bericht „Die Grenzen der Wasserstoffbeimischung im europäischen Gasnetz“. Im Bericht bezieht sich der Begriff „Wasserstoffbeimischung“ auf die Beimischung von Wasserstoff mit Erdgas auf Gasnetzebene (Netzbeimischung).
Die Einspeisung von kohlenstoffarmem Wasserstoff in die Gasnetze wird als eine Möglichkeit zur Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft angesehen. Dadurch werden die Emissionen bei der Verbrennung dieses Gemischs durch den Endverbraucher reduziert.
Die bestehende Infrastruktur für die Gasübertragung und -verteilung ist für den Transport des Gemischs geeignet, bis spezielle Wasserstoffpipelines gebaut werden. Es ist technisch möglich, 20 % Wasserstoff in die Gasnetze einzuspeisen, um den sicheren Betrieb von Gaskesseln zu gewährleisten, so die Studie.
Dies werde die Emissionen um 6-7 % senken, gleichzeitig aber die Kosten für Unternehmen und Haushalte um bis zu 43 % erhöhen. Darüber hinaus weist der Bericht auf einige potenzielle technische Probleme hin, die bei der Anwendung einer 20%igen H2-Mischung auftreten können. Aus diesen Gründen sprechen sich die Autoren der Studie gegen die Vermischung von Erdgas und Wasserstoff aus.
Das Institut erklärt, dass die EU bis 2030 die Installation von Elektrolyseuren mit einer Leistung von 40 GW plant, die jährlich rund zehn Millionen Tonnen oder etwa 132 TWh grünen Wasserstoff produzieren würden.
„Die politischen Entscheidungsträger stehen nun vor der Frage, wie sie die begrenzten Mengen an grünem Wasserstoff, die mittelfristig verfügbar sein werden, kosteneffizient einsetzen können“, heißt es im Bericht.
Die willkürliche Einspeisung von grünem Wasserstoff in das Netz berge dagegen die Gefahr, dass Wasserstoff „verschwendet“ wird, indem er z. B. im Heizungsbereich eingesetzt wird, wo effizientere und kostengünstigere Lösungen wie die direkte Elektrifizierung über Wärmepumpen möglich sind.
Ferner weisen die Autoren darauf hin, dass es keine allgemeingültige Grenze für den Wasserstoffanteil in einem Gemisch mit Erdgas gibt.
In der Norm EN 16726 aus dem Jahr 2019 heißt es, dass es derzeit nicht möglich ist, einen allgemeingültigen Wasserstoffgrenzwert für alle Bereiche der europäischen Gasinfrastruktur festzulegen, weshalb eine Einzelfallprüfung empfohlen wird. Hauptleitungspipelines können problemlos Gemische mit bis zu 10 % H2 aufnehmen, und höhere H2-Anteile sind möglich, allerdings hängt dies von den Pipelinematerialien ab.
Bei Gaszählern in Wohngebäuden könnte es zu Kalibrierungsproblemen kommen, und über die Haltbarkeit von Elastomerdichtungen lässt sich noch nichts sagen. Bestehende Gaskompressoren können mit einem 10%igen H2-Gemisch betrieben werden, aber höhere Wasserstoffanteile erfordern eine Anpassung der Laufräder und Getriebe. Die Kosten für die Änderungen werden auf etwa die Hälfte des Preises der neuen Kompressoren geschätzt.
Die Autoren stellen außerdem fest, dass kohlenstoffarmer Wasserstoff knapp ist, sodass er direkt in den Sektoren eingesetzt werden sollte, in denen er zuerst benötigt wird (Düngemittel, Metallurgie, Luftfahrt), und nur dann, wenn eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist.
Die Einspeisung von Wasserstoff in die bestehenden Gasnetze sei also eine einfache Lösung, die jedoch die Maßnahmen zur Dekarbonisierung untergraben könnte. Zum einen seien die Auswirkungen in Bezug auf die Reduzierung der Emissionen gering, zum anderen reiche der Wasserstoff für die Sektoren, in denen er wirklich benötigt wird, nicht aus.
Für den Transport von Wasserstoff zu den Endverbrauchern empfehlen die Autoren die Schaffung regionaler Wasserstoffnetze, die Umrüstung bestehender und den Bau neuer Pipelines.

Schließlich wird im Bericht festgestellt, dass nur ein Teil des bestehenden Gasfernleitungsnetzes auf Wasserstoff umgestellt werden soll. Da der Methanverbrauch im Laufe der Zeit zurückgehen wird, müssen die bestehenden Pipelines langfristig abgebaut werden.

Özgür Dr. Özgür Öner 0032 2 5501611