25. März 2020 Europabrief

GdW Europabrief 01/2020

European Green Deal

Am 11. Dezember 2019 hat die Europäische Kommission ihre erste offizielle Mitteilung zum „Green Deal“ vorgelegt. Dieser ist einer der sechs politischen Leitlinien und Kernstück der neuen von der Leyen Kommission, die ihre Arbeit Anfang Dezember 2019 aufgenommen hat. Mit dem Green Deal sollen gleich mehrere Ziele verfolgt werden: Klimaneutralität in der EU bis 2050; Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abkoppeln; das Naturkapital der EU schützen; die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen vor Umweltrisiken und deren Auswirkungen schützen. Der Green Deal ist jedoch noch mehr: Er soll zu einem Umdenken in und zu einer Umstrukturierung der Gesellschaft und Wirtschaft führen und ist als neue Wachstumsstrategie der EU gedacht.
Für diesen grundlegenden europäischen Strukturwandel werden in der Mitteilung zum Green Deal 50 Initiativen vorgelegt und ein erster Fahrplan für die wichtigsten Strategien und Maßnahmen vorgestellt, die zur Erreichung der Ziele beitragen sollen. Die Kommission wird diese in den nächsten Jahren Schritt für Schritt umsetzen. Um das Klimaneutralitätsziel bis 2050 zu verwirklichen, soll es rechtsverbindlich verankert werden. Frans Timmermans, Exekutiv Vize-Präsident der Europäischen Kommission und federführend für die Umsetzung des Grünen Deals, wird Anfang März 2020 dazu ein Europäisches Klimagesetz vorlegen.
Besonders in den Bereichen Energie, Gebäude, Industrie und Mobilität wird die Umsetzung des Green Deals stattfinden, jedoch sind alle Wirtschaftszweige einbezogen. Für den Gebäudebestand, auf den 40% des Energieverbrauchs entfällt, sind folgende Punkte im Green Deal aufgeführt:
So hat die Kommission eine „Renovierungswelle“ für öffentliche und private Gebäude für Oktober 2020 angekündigt. Ziel ist es, die aktuelle Renovierungsquote in der EU mindestens zu verdoppeln. Weiter wird die Kommission darauf achten, dass die EPBD-Richtlinie konsequent umgesetzt wird. Dazu gehört unter anderem eine Bewertung der langfristigen nationalen Renovierungsstrategien der Mitgliedstaaten, die in diesem Jahr ansteht.
Ob die Emissionen von Gebäuden in den Emissionshandel mit aufgenommen werden, soll ebenfalls geprüft werden. Bis Juni 2021 plant die Kommission alle einschlägigen klimabezogenen Politikinstrumente einer Überprüfung und gegebenenfalls einer Überarbeitung zu unterziehen. Im Gebäudebereich könnten hier die Energieeffizienzrichtlinie und die Richtlinie zu erneuerbaren Energien überprüft werden. Die Überprüfung sieht die Kommission als notwendig an, um ihr Ziel zu erreichen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 50% bzw. 55%, so die aktuelle Forderung der EU-Kommission, gegenüber 1990 zu senken.
Außerdem wird die Überarbeitung der Bauprodukteverordnung anstehen. Es soll gewährleistet werden, dass der Bau und die Renovierung von Gebäuden den Anforderungen der Kreislaufwirtschaft in allen Phasen entspricht und zu einer verstärkten Digitalisierung und Klimaverträglichkeit des Gebäudebestands führt. Bereits am 10. März 2020 soll ein Vorschlag zur EU-Industriestrategie und Revision der KMU-Definition sowie ein Gesetzgebungsvorschlag zur Kreislaufwirtschaft vorliegen.
Eine Initiative zur Renovierung soll noch in diesem Jahr mit verschiedenen Interessenträgern erarbeitet werden, mit dem Ziel, Hürden abzubauen, die eine Renovierung im größeren Umfang verhindern. Eine Plattform soll initiiert werden, die die verschiedenen Akteure des Gebäudesektors zusammenführt. Unterstützt werden soll diese Initiative durch das neue InvestEU-Programm, in dem alle Förderinstrumente zusammengefasst werden. InvestEU könnte neue Finanzierungsmodelle für Wohnungsunternehmen oder Energiedienstleistungsunternehmen bereitstellen, wie z.B. Energieleistungsverträge für die Finanzierung von Renovierungen. Die Kommission plant den Abbau von nationalen regulatorischen Hindernissen, was die Investitionen in Energieeffizienz für gemietete Gebäude und Gebäude mit mehreren Eigentümern betrifft. Besonders die Renovierung von geförderten Wohnungen soll unterstützt werden mit dem Ziel, Energiekosten für Haushalte zu verringern. Hierzu wird die Kommission noch in diesem Jahr Leitlinien zur Bekämpfung von Energiearmut veröffentlichen.
Mit der Veröffentlichung der Renovierungsstrategie im zweiten Halbjahr dieses Jahres wird sich besser einschätzen lassen, welche Anforderungen und Unterstützungen konkret auf die Wohnungswirtschaft zukommen werden.
Aber auch Maßnahmen im Energiebereich, wie z.B. die Dekarbonisierung des Energiesystems, werden für den Gebäudesektor ausschlagegebend sein. Energieeffizienz soll bei der Dekarbonisierung im Mittelpunkt stehen und erneuerbare Energiequellen genutzt werden. Gleichzeitig soll die Energieversorgung erschwinglich und sicher sein.
Im Bereich der E-Mobilität sieht die Kommission vor, die Einrichtung von öffentlichen Ladestationen und die Umrüstung von Tankstellen bei Bedarf zu unterstützen, vor allem für den Langstreckenverkehr und für weniger besiedelte Gebiete. So schätzt die Kommission, dass bis 2025 ca. 1 Million öffentliche Ladestationen und Tankstellen für 13 Millionen schadstofffreie und emissionsarme Fahrzeuge benötigt werden. Eine Strategie für saubere und intelligente Mobilität ist für das zweite Halbjahr 2020 vorgesehen.
Aber auch Sektoren die nicht unbedingt für einen erheblichen Anteil der Treibhausgase verantwortlich sind, werden eine wichtige Rolle spielen, den Green Deal umzusetzen. So soll auch im Finanzwesen nachhaltig gehandelt werden und privates Kapital in nachhaltige Investitionen fließen.
Zur Erreichung der Klima- und Energieziele bis 2030 kalkuliert die Kommission einen zusätzlichen Investitionsbedarf von 260 Mrd. pro Jahr (1,5% des BIP von 2018). Mitte Januar 2020 hat die Kommission einen Investitionsplan vorgelegt, der darlegt, wie der Investitionsbedarf gedeckt werden soll.
Der von der Kommission vorgelegte Green Deal wird mit seinen gebäude-, energie-, klima- und finanzpolitischen Initiativen auch für die Wohnungswirtschaft in den nächsten Jahren relevant. Die von der Kommission beschriebenen Ziele können nicht ohne erhebliche Investitionen in den Gebäudesektor erreicht werden. Fragen aber zu Investitionen, Wirtschaftlichkeit der Investitionen für die Wohnungsunternehmen und die Vermeidung sozialer Härten für Mieter können erst geklärt werden, sobald die entsprechenden Gesetzesinitiativen vorliegen, also frühestens im Oktober 2020. Für Deutschland jedoch hat die Bundesregierung mit ihrem Klimaplan viele Ziele der Kommission schon vorweggenommen.

Özgür Dr. Özgür Öner 0032 2 5501611