30. September 2022 Europabrief

GdW Europabrief 10/2022

Verordnungsentwurf zur Bekämpfung der hohen Energiepreise

Wie von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union angekündigt, hat die Europäische Kommission hat am 14. September 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung des EU-Rates über Notfallmaßnahmen zur Bekämpfung der hohen Energiepreise vorgelegt.
Dieser Vorschlag soll unter anderem die Auswirkungen der hohen Energiepreise auf Haushalte und Unternehmen abfedern und gleichzeitig die Vorteile des Binnenmarktes sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen wahren.
Die Kommission schlägt drei befristete Maßnahmen zur Überwindung der Energiekrise vor: Die Einnahmen von Stromerzeugern sollen begrenzt werden, die Strom zu niedrigen Kosten erzeugen, ein befristeter Solidaritätsbeitrag soll eingeführt und Ziele zur Verringerung der Stromnachfrage festgelegt werden.
Um die Stromnachfrage zu senken, werden in dem Verordnungsentwurf zwei Ziele festgelegt. Erstens, dass Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um den Gesamtstromverbrauch aller Verbraucher zu senken. Die Maßnahmen sollten hinreichend ehrgeizig sein und könnten zum Beispiel gezielte Informations- und Kommunikationskampagnen umfassen.
Zweitens, sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, ihren Bruttostromverbrauch während bestimmter Spitzenzeiten um mindestens 5 % zu senken, wobei mindestens 10 % der Stunden in jedem Monat abgedeckt werden, in denen die Preise voraussichtlich am höchsten sind. Dies solle dazu führen, dass die Auswahl von durchschnittlich 3 bis 4 Stunden pro Wochentag, die normalerweise den Spitzenlastzeiten entsprechen, oder aber auch Stunden umfassen können, in denen die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gering ist und die Erzeugung aus Grenzkraftwerken zur Deckung der Nachfrage erforderlich ist. Die Mitgliedstaaten sollen bei der Festlegung dieser Stunden einen gewissen Ermessensspielraum bekommen. Die verbindliche Zielvorgabe richtet sich speziell an Verbraucher, die durch Nachfragereduzierung oder Angebote zur Nachfrageverlagerung auf Stundenbasis Flexibilität bieten können.
Den Mitgliedstaaten sollte es freistehen, geeignete Maßnahmen zur Erreichung der Nachfragereduzierungsziele zu wählen und sollten insbesondere wirtschaftlich effiziente und marktorientierte Maßnahmen in Betracht ziehen.
Eine weitere Maßnahme ist es, eine Obergrenze für Einnahmen von Unternehmen einzuführen, die Strom zu niedrigen Kosten erzeugen. Durch die Verringerung der Einnahmen der Stromerzeuger zielt die vorgeschlagene Maßnahme darauf ab, das Marktergebnis nachzuahmen, das die Erzeuger hätten erwarten können, wenn die globalen Versorgungsketten normal funktionieren würden, d. h. ohne die Unterbrechungen der Gasversorgung, die seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 stattgefunden haben.
Die für die gesamte EU geltende Obergrenze würde dann auf 180 EUR/MWh festgesetzt. Dies sollte nach Schätzungen der Kommission den Mitgliedstaaten ermöglichen, jährlich bis zu 117 Milliarden EUR einzunehmen.
Folgende Stromquellen wären betroffen: Windkraft, Solarenergie (Solarthermie und Photovoltaik), Geothermie, Wasserkraft ohne Wasserrückhaltung, feste oder gasförmige Brennstoffe aus Biomasse (mit Ausnahme von Biomethan), Abfälle, Kernenergie, Braunkohle, Rohöl und andere Erdölprodukte.
Dieses Instrument würde also nicht für Technologien gelten, deren Break-even-Punkt oberhalb der Obergrenze liegt, wie z.B. Gas- und Kohlekraftwerke, da es diese Tätigkeiten und letztlich die Versorgungssicherheit gefährden würde.
Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Erlösobergrenze zum Zeitpunkt der Abrechnung des Energieaustauschs oder danach anzuwenden.
Die Kommission lässt ihnen auch die Möglichkeit, nationale Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, die die Markterlöse der Erzeuger weiter begrenzen (z.B. eine Obergrenze von weniger als 180 EUR/MWh), vorausgesetzt, dass diese Maßnahmen verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sind, und das Funktionieren der Stromgroßhandelsmärkte nicht verzerren.
Die dritte Maßnahme betrifft eine vorübergehende Einführung eines Solidaritätsbeitrags auf Überschussgewinne im fossilen Sektor (Erdöl, Erdgas, Kohle und Raffinerien), da nicht nur Stromerzeuger, sondern auch dieser Sektor von den extremen Preissteigerungen aufgrund der aktuellen Marktsituation profitiert und überdurchschnittliche Gewinne erzielt. Um sozialen und wirtschaftlichen Unfrieden zu verhindern, sollen die Haushalte und Verbraucher finanziell unterstützt werden.

Zudem hat der Rat der Energieminister der Mitgliedstaaten zur Finanzierung der Energiepreisbremsenansätze der Mitgliedstaaten am 30.09.2022 einen Verordnungsvorschlag angenommen. Die Verordnung betrifft Überschussgewinne aus einer wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens, das mindestens 75 % des Umsatzes im Bereich der Gewinnung, des Abbaus, der Raffinierung von Erdöl oder der Herstellung von Kokereierzeugnissen erzielt.
Zur Berechnung des relevanten Gewinnüberschusses werden die im Steuerjahr 2022 erzielten steuerpflichtigen Gewinne des Unternehmens mit den durchschnittlichen steuerpflichtigen Gewinnen der drei vorangegangenen Steuerjahre (ab dem 1. Januar 2019) verglichen.
Liegt der steuerpflichtige Gewinn im Jahr 2022 um mehr als 20 % höher, so wird auf den übersteigenden Betrag ein Solidaritätsbeitrag in Höhe von mindestens 33 % für die Erzeuger fossiler Brennstoffe erhoben, während für die Erzeuger erneuerbarer Energien eine Preisobergrenze von 180 €/MWh gilt. Dennoch will die Kommission den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, eine höhere Obergrenze festzulegen, sofern die Investitions- und Betriebskosten der von dieser Maßnahme betroffenen Erzeuger 180 €/MWh übersteigen.
Sie sollen auch die Möglichkeit haben, Unternehmen, die Strom in Anlagen mit einer Kapazität von 1 MW oder weniger (im Vergleich zu 20 kW im Kommissionsvorschlag) erzeugen, von der Anwendung der Obergrenze auszuschließen, um einen übermäßigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.
Hinsichtlich des verbindlichen Ziels der Verringerung des Bruttostromverbrauchs während der Spitzenlastzeiten können die Mitgliedstaaten beschließen, für Spitzenlastzeiten einen anderen Prozentsatz als den des Kommissionsvorschlags anzustreben.
Im Vorschlag werden auch neue Ausnahmeregelungen eingeführt, wonach Regionen in äußerster Randlage, die nicht an den EU-Elektrizitätsmarkt angeschlossen werden können, nicht unter das Ziel der Verringerung des Stromverbrauchs während der Spitzenlastzeiten und unter die Obergrenze für Inframarginaleinnahmen fallen würden.

Özgür Dr. Özgür Öner 0032 2 5501611