GdW Europabrief 09/2020
Klimazielplan bis 2030
Der Ausschuss des Europäischen Parlaments für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat am 10. September 2020 für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von -60 % im Vergleich zu 1990 als Klimaziel für 2030 gestimmt. Am 11. September 2020 hat der Ausschuss dann den entsprechend der Kompromissvorschläge angepassten Bericht von Jytte Guteland (S&D, Schweden) angenommen.
Die Abstimmung über das Reduktionsziel war mit 40 Jastimmen, 37 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen sehr knapp, fiel aber im Sinne der Fraktionen S&D (SPD), Renew Europe (Liberale), Grüne/EFA und GUE/NGL (Linke) aus. Peter Liese (Verhandlungsführer der EVP-Gruppe (CDU) nannte das Ziel von -60 % „unverantwortlich hoch“ und verwies auf das von ihm vertretene Ziel von -55 %, sollte die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Folgenabschätzung, deren Ergebnisse am 16. September 2020 vorliegen sollen, „überzeugend“ sein. Die Studie untersucht die Machbarkeit von Reduktionen der Treibhausgasemissionen in Höhe von -40 %, -50 % und -55 % bis 2030 hinsichtlich sozioökonomischer Folgen.
Die weiteren Kompromissänderungen am Vorschlag der Kommission, über die der Ausschuss abgestimmt hat, betrafen:
- Die Aufforderung gegenüber den europäischen Institutionen, sicherzustellen, dass zukünftige Entscheidungen mit dem Ziel der Klimaneutralität vereinbar sind.
- Die Verpflichtung der EU und der Mitgliedstaaten alle direkten und indirekten Subventionen von fossilen Brennstoffen bis spätestens 31. Dezember 2025 auslaufen zu lassen.
- Eine individuelle Anwendung des 2050-Klimaneutralitätsziels auf die einzelnen Mitgliedstaaten.
- Die Festlegung eines 2040-Klimaziels über die Annahme einer Gesetzesinitiative.
- Die Einführung eines EU-Haushaltes für Treibhausgase.
- Die Einrichtung eines unabhängigen Europäischen Klimarats.
Im Oktober wird das EU-Parlament in einer Plenarsitzung über den Bericht abstimmen. Wenn er, und damit auch das -60%-Ziel, angenommen wird, sind die Triloge zwischen den EU-Institutionen der nächste Schritt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass der Europäische Rat ein weniger ambitioniertes Ziel vertreten wird, da Dänemark, Österreich, Schweden, Finnland und Luxemburg ein Ziel über -55 % ablehnen.
Der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments hatte sich schon auf ein 55 % Ziel geeinigt, allerdings ist der Umweltausschuss der federführende Ausschuss für die Trilogverhandlungen mit dem Rat (Mitgliedstaaten).
In ihrer Rede zur Lage der Union am 16. September 2020 hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ebenfalls ein Ziel von -55 % gefordert.
Somit erscheint in den weiteren Verhandlungen ein neues Ziel für die Reduktion der Treibhausgasemissionen zwischen 55 % bis 60 % realistisch.
Für die Wohnungswirtschaft hat das Folgen. Die bisherigen Planungen und Kalkulationen basieren auf ein 40 % Ziel bis 2030. Ein wahrscheinlich erhöhter Zielwert führt zu Mehrkosten und hat Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen. Zudem kommt, dass mit der EU-Lastenverteilungsverordnung (Effort-Sharing-Regulation) ökonomisch leistungsfähigere Mitgliedstaaten mehr leisten müssen, ökonomisch schwächer Mitgliedstaaten weniger. D.h., dass ein 55 % Reduktionsziel der EU ca. 60 % bis 65 % für Deutschland bedeuten. Vor diesem Hintergrund ist die Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit der zusätzlichen Investitionen zu berücksichtigen.