8. Juli 2022 Europabrief

GdW Europabrief 07/2022

EP nimmt Bericht über die Revision des EU-Emissionshandelssystems an

Die EU-Abgeordneten haben am 22. Juni 2022 mit großer Mehrheit den Bericht von Peter Liese (EVP, Deutschland) über die Revision des EU-Emissionshandelssystems (ETS) angenommen. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Fraktionen über einige wichtige Änderungsanträge war der erste Versuch zur Annahme am 8. Juni 2022 gescheitert.
Diese Ablehnung wirkte sich auch auf die Abstimmung des EU-Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzen (CBAM) sowie des „Klimasozialfonds“ aus, die mit dem ETS eng zusammenhängen.
Über das Auslaufen der kostenlosen Emissionszertifikate für Sektoren, die unter den CBAM fallen, und das Ambitionsniveau des ETS konnten die Fraktionen der EVP, der S&D und Renew Europe sich dann doch noch einigen. Das gilt auch für den Kompromiss, die Treibhausgasemissionen in den unter das EHS fallenden Sektoren bis 2030 um 63 % (anstelle von 61% im Kommissionsvorschlag) gegenüber den Emissionswerten von 2005 zu reduzieren.
Dieses Anspruchsniveau wird durch die Menge der Zertifikate im System bestimmt, die wiederum von zwei Variablen abhängt: der einmaligen Reduzierung einer bestimmten Anzahl von Zertifikaten und der Erhöhung des linearen Reduktionsfaktors (LRF – der Prozentsatz, der die Menge der Zertifikate bestimmt, deren Obergrenze jedes Jahr sinkt).
Gemäß dem vereinbarten Kompromiss werden 70 Millionen Zertifikate im Jahr 2024 (im Vergleich zu etwa 117 Millionen im Kommissionsvorschlag) und 50 Millionen im Jahr 2026 abgebaut. Statt auf 4,2% im Kommissionsvorschlag wird der LRF-Faktor von 2024 bis Ende 2025 auf 4,4%, ab 2026 auf 4,5% und ab 2029 auf 4,6% erhöht.
Das Parlament will außerdem ein Bonus-Malus-System einführen, um Unternehmen zu ermutigen, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dieses Instrument besteht darin, gute Leistungen in den unter das ETS fallenden Sektoren durch die Zuteilung zusätzlicher kostenloser Zertifikate zu belohnen und schlechte Leistungen durch die Kürzung ihrer kostenlosen Zertifikate zu bestrafen.
Der Vorschlag bezieht auch den Seeverkehr und den Abfallsektor mit ein. Z.B. soll die Verbrennung von Siedlungsabfällen ab 2026 in das Emissionshandelssystem aufgenommen werden. Eine Folgenabschätzung der Kommission soll bis spätestens 31. Dezember 2024 durchgeführt werden.
Das Parlament fordert auch die Stärkung des Mechanismus zur Bekämpfung übermäßiger Preiserhöhungen für Zertifikate (Artikel 29a). Wenn der Durchschnittspreis der Zertifikate in einem Zeitraum von mehr als sechs aufeinander folgenden Monaten mehr als das Doppelte (im Gegensatz zum Dreifachen im Kommissionsvorschlag) des Durchschnittspreises der Zertifikate in den vorangegangenen zwei Jahren beträgt, muss die Kommission innerhalb von sieben Tagen den Ausschuss einberufen. Dieser ist für die Beurteilung der Frage zuständig, ob diese Preisentwicklung einer Veränderung der Marktgrundlagen entspricht. Abhängig von dieser Bewertung wäre die Kommission dazu verpflichtet, eine der im Text vorgesehenen Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Zusätzlich zu den bestehenden Maßnahmen hat das Parlament die Entnahme von 100 Millionen Zertifikaten aus der Marktstabilitätsreserve (MSR) hinzugefügt.
Hinsichtlich der Schaffung eines zweiten ETS für den Gebäudesektor und Straßenverkehr (ETS2 oder ETS BRT) soll dieses ab 2025 zunächst nur für gewerbliche Gebäude und den gewerblichen Straßenverkehr gelten. Das System könnte dann möglicherweise ab 2029 auch auf private Verbraucher ausgedehnt werden, vorbehaltlich einer Folgenabschätzung durch die Kommission und eines neuen Legislativvorschlags im Mitentscheidungsverfahren. Diese Analyse sollte unter anderem eine detaillierte Bewertung der Entwicklung der Energiearmut und der Mobilität in der EU und in jedem Mitgliedstaat sowie eine detaillierte Quantifizierung der zusätzlichen Emissionsreduzierung umfassen, die durch diese Ausweitung erreicht werden könnte.
Mitgliedstaaten müssen jedoch mit der Anwendung des ETS2 auf private Verbraucher nicht warten, sofern sie die Genehmigung der Kommission erhalten.
Darüber hinaus fordern die Abgeordneten eine Ausweitung des Geltungsbereichs des ETS2 auf alle Brennstoffe, mit einer Preisobergrenze von 50 Euro pro Tonne CO2 und einer „Notbremse“ für Haushalte im Falle einer Ausweitung auf diese. Um einkommensschwache Familien zu unterstützen, werden die Erlöse aus der Versteigerung von 150 Millionen Zertifikaten im Rahmen des ETS2 dem Klimasozialfonds zur Verfügung gestellt, über das ebenfalls am 22. Juni 2022 im EP abgestimmt wurde.
Der Klimasozialfonds wird zur Finanzierung von Investitionen in Energieeffizienz, Dekarbonisierung und nachhaltigen Verkehr verwendet und in Form von nationalen sozialen Klimaplänen zur Unterstützung direkter Hilfsmaßnahmen für einkommensschwache Haushalte eingesetzt werden.
Er wird durch etwa 25 % der Einnahmen aus der Einbeziehung des gewerblichen Straßenverkehrs und gewerblicher Gebäude in das EU-Emissionshandelssystem (ETS) finanziert und durch Einnahmen aus der Versteigerung von zusätzlichen 150 Millionen ETS-Zertifikaten ergänzt. Für den Zeitraum bis 2027 würde diese Berechnung somit 16,39 Mrd. Euro bedeuten, mit der Möglichkeit, bis 2032 einen Gesamtbetrag von 72 Mrd. Euro zu erreichen.
Das Europäische Parlament betonte außerdem, dass im Falle eines Anstiegs des Kohlenstoffpreises dem Fonds zusätzliche Mittel zugewiesen werden sollten, um sicherzustellen, dass die für den Klimasozialfonds im EU-Haushalt verfügbaren Mittel entsprechend dem Kohlenstoffpreis steigen, um gefährdete Haushalte und Verkehrsteilnehmer beim Übergang zur Klimaneutralität weiter zu unterstützen. Diese jährlichen Aufstockungen sollten im Mehrjährigen Finanzrahmen durch eine „Kohlenstoffpreisanpassung“ berücksichtigt werden.
Was das ETS-Gesetzgebungsverfahren betrifft, so hat der Rat seinen Standpunkt am 28. Juni 2022 festgelegt. Laut Peter Liese werden die Trilogverhandlungen unmittelbar nach Beginn der tschechischen Ratspräsidentschaft im Juli 2022 beginnen.

Özgür Dr. Özgür Öner 0032 2 5501611