20. Juni 2024 Europabrief

GdW Europabrief 06/2024

Europawahlen vom 6. bis 9. Juni 2024

Die Wahlen zur 10. Legislaturperiode des Europäischen Parlaments fanden vom 6. bis 9. Juni 2024 statt. Nach den vorläufigen Ergebnissen hat der erwartete Rechtsruck in Europa stattgefunden. Insbesondere in Frankreich konnte die rechtspopulistische Partei „Rassemblement National“ von Marine Le Pen viele Stimmen gewinnen. Sie stellt damit die größte gewählte Delegation im Europäischen Parlament. Aber auch in anderen europäischen Ländern, darunter die Niederlande, Österreich und Italien, lässt sich ein Rechtsruck beobachten. In Italien konnte die Partei „Fratelli d’Italia” von Georgia Meloni die meisten Sitze gewinnen.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) hat mit 190 Sitzen die meisten Sitze im EP gewonnen. Vor den Wahlen hatte sie 176 Sitze inne. Die Sozialdemokraten (S&D) konnten mit 136 Sitzen ihre Position als zweitgrößte politische Fraktion im Europäischen Parlament nach der EVP behaupten. Im Vergleich zur letzten Legislaturperiode hat die Fraktion der Liberalen Renew Europe deutlich an Sitzen verloren. Mit 80 Sitzen konnte sie ihren dritten Platz im Europäischen Parlament jedoch nicht beibehalten (Stand: 19.06.2024).

Die rechtspopulistischen Parteien konnten bei den Europawahlen Erfolge verzeichnen. Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) stellt mit 83 Abgeordneten die drittgrößte Fraktion im Europäischen Parlament. Die Fraktion Identität und Demokratie (ID) verfügt über 58 Sitze. Die Fraktionslosen, zu denen auch die AfD gehört, haben insgesamt 45 Sitze. 38 Sitze sind derzeit keiner Fraktion zugeordnet.

Die Grünen dagegen haben eine Wahlniederlage erlitten. Insgesamt haben sie 20 Sitze im Europäischen Parlament verloren. Mit 51 Abgeordneten ist die Fraktion der Grünen/EFA fast auf ein Niveau von vor zehn Jahren zurückgefallen.

Die Fraktion der Linken verfügt nun 39 Sitze. Damit ist sie die kleinste Fraktion der sieben Fraktionen, die derzeit im EP vertreten sind.

Angesichts der vorläufigen Ergebnisse ist eine Mehrheit im EP ohne die EVP in Zukunft eher unwahrscheinlich.

Wahlergebnis in Deutschland
In Deutschland lag die Wahlbeteiligung bei 64,78%. Aber auch hier ist ein Schwenk nach rechts zu verzeichnen. Die CDU/CSU ist zwar stabil geblieben, wie auch die FDP. Die SPD hat jedoch zwei Sitze verloren.
Die Grünen haben ihren Wahlerfolg von vor fünf Jahren nicht wiederholen können. Sie haben am meisten Sitze verloren und sind von 21 auf 12 Sitze abgerutscht. Die Linke hat zwei Sitze verloren und die Partei BSW hat auf Anhieb 6 Sitze erhalten.
Die AfD hat gegenüber 2019 vier Sitze hinzugewonnen und ist nun mit 15 Abgeordneten die zweitgrößte deutsche Delegation im EP.

Hier ein Überblick der Wahlergebnisse in Deutschland:

CDU: 23 (2019: 23)
CSU: 6 (2019: 6)
SPD: 14 (2019: 16)
Bündnis 90/Die Grünen: 12 (2019: 21)
FDP: 5 (2019: 5)
BSW: 6
Die Linke: 3 (2019: 5)
AfD: 15 (2019: 11)

Wie geht es weiter?
EP: Die Fraktionen werden sich in den kommenden Wochen bis spätestens 15. Juli 2024 konstituieren. Offiziell beginnt die neue Legislaturperiode mit der Plenartagung in Straßburg vom 16. bis 19. Juli 2024. In dieser Zeit wird über die Präsidentin oder den Präsidenten des EP, die Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten sowie die Quästorinnen und Quästoren entschieden. Außerdem stimmen die Europaabgeordneten über die Zusammensetzung der Ausschüsse ab.   

Nach der Sommerpause kann der/die Kommissionspräsident/in frühestens in der Plenarsitzung vom 16. bis 19. September 2024 gewählt werden. Der genaue Zeitplan wird jedoch erst nach der Konstituierung des neuen Parlaments bekannt gegeben. Um als Präsident/in der Kommission gewählt zu werden, benötigen die Kandidaten die Mehrheit der Stimmen der Europaabgeordneten. Sollte keine Mehrheit zustande kommen, muss der Rat eine/n neue/n Kandidat/in vorschlagen.

EU-Rat: Die EU-Staats- und Regierungschefs sind am 17. Juni 2024 in Brüssel zusammenkommen, um erste Schlussfolgerungen aus den Europawahlergebnissen zu ziehen. Es wurde auch darüber diskutiert, wer für die höchsten europäischen Ämter in Betracht kommt (Kommissionspräsident/in, Präsident/in des Europäischen Rates und Amt des/der Hohen Vertreter/in der Union für Auswärtige Angelegenheiten) in Frage kommt, aber es kam zu keiner Einigung. Es ist möglich, dass eine Einigung auf der Tagung des Rates am 27. und 28. Juni erzielt wird.

Auf der Grundlage der vorliegenden Wahlergebnisse ist es wahrscheinlich, dass Ursula von der Leyen für das Amt der Präsidentin der Europäischen Kommission nominiert wird. Die Nominierung müsste in diesem Fall von den Europaabgeordneten mit absoluter Mehrheit bestätigt werden.

Die politischen Schwerpunkte der politischen Parteien und der neuen EU-Kommission für die neue Legislaturperiode 2024-2029 werden erst in der zweiten Jahreshälfte diskutiert und verhandelt werden.

Özgür Dr. Özgür Öner 0032 2 5501611