2. Februar 2022 Europabrief

GdW Europabrief 01/2022

Studie der europäischen Fraktion der Grünen über die Finanzierung von Wohnraum in Europa

Am 27. Januar 2022 wurde eine von der Fraktion Die Grünen/EFA in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „My home is an asset class“ (Mein Haus ist eine Anlageklasse) veröffentlicht.
Die Studie stellt die Finanzierung und Förderung von Wohnraum und ihre Auswirkungen auf die Bezahlbarkeit kritisch dar. Sie zeigt auf, in welchem Umfang Immobilien in ganz Europa von großen Unternehmen und Investoren weltweit aufgekauft und als Anlagevermögen verwaltet werden.
So steht Berlin an erste Stelle, wo allein 40 Mrd. EUR Wohnkapital in institutionellen Portfolios (von börsennotierten Wohnungsunternehmen wie Vonovia, zu Private-Equity-Firmen wie Blackstone, oder des niederländischen Pensionsfonds ABP für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst) investiert sind.

Der zentrale Kritikpunkt der Studie ist die wachsende Nachfrage nach Wohnimmobilien als Anlageklasse durch institutionelle Vermieter wie Immobiliengesellschaften, Banken, Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften, Stiftungen und Vermögensverwalter, wozu laut der Studie kaum Informationen vorliegen. So besaßen im Jahr 2020 Private-Equity-Fonds 30 % der 2,7 Billionen Euro Immobilienvermögen in der EU, während börsennotierte Immobiliengesellschaften und Investmentfonds 20 % besaßen. Versicherungsgesellschaften, Pensionsfonds und Staatsfonds besaßen weitere 16 % des Vermögens direkt, investierten aber auch in Private-Equity-Fonds, öffentliches Beteiligungskapital und andere Immobilien-Assetklassen. Dennoch weisen die institutionellen Vermieter den Wert der von ihnen gehaltenen Wohnimmobilien nicht gesondert aus.
In dem Bericht werden die politischen Maßnahmen der EU (z.B. der Rahmen für einfache, transparente und standardisierte Verbriefung, die Verbriefung notleidender Kredite und die Überarbeitung der Solvency II-Eigenkapitalanforderungen für Versicherungsunternehmen) untersucht, die den Übergang von privatem zu institutionellem Wohneigentum erleichtern. Laut der Studie könnte die COVID-19-Pandemie dieses Phänomen weiter verschärfen, wenn die EU keinen angemessenen Rechtsrahmen schafft. So besteht die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten die Mittel für bezahlbaren Wohnraum weiter kürzen, um dem COVID-19-bedingten Anstieg der Staatsverschuldung zu begegnen. Es könnte, so die Studie, unter anderem zu einer verstärkten Beteiligung privater Investoren an der Entwicklung neuer Mietwohnungen kommen.
Der Bericht enthält mehrere Empfehlungen für eine effizientere Regulierung der institutionellen Vermieter.
Der erste Vorschlag beinhaltet ein Rahmenwerk für nachhaltigen institutionellen Wohnungsbau, z.B. Wohnraum als Sondervermögensklasse in der EU-Sozialtaxonomie zu behandeln und eine obligatorische Offenlegung und Regulierung institutioneller Vermieter einzuführen.
Konkret soll sowohl die vertikale als auch die horizontale Dimension auf Wohnimmobilien angewandt werden: In der Taxonomie bezieht sich die horizontale Dimension auf Prozesse und Geschäftspraktiken von Unternehmen mit Wohnkapital, während die vertikale Dimension einen angemessenen Lebensstandard über einen Rahmen für Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Akzeptanz und Qualität (AAAQ) definiert. Die vertikale Dimension ist dabei entscheidend, um „social-washing“ zu verringern. Ein AAAQ-Ansatz in der vertikalen Dimension soll angewandt werden, der zwischen guter, schwieriger und schlechter Leistung von Wohnimmobilien unterscheidet.
Ein Regulierungsrahmen soll entwickelt bzw. implementiert werden für institutionelle Anleger, die Wohnimmobilien-Assetklassen in ihrer Bilanz aufführen. Ziel ist es, die Praktiken der institutionellen Vermieter anzupassen unter dem Leitgedanken: Wohnen als Menschenrecht.
Dies beinhaltet unter anderem auch alle regulatorischen Privilegien, die in den letzten Jahrzehnten in den EU-Rechtsvorschriften gewährt wurden, zu beseitigen.
Eine weitere Empfehlung ist die Einrichtung eines Europäischen Wohnungsfonds, der vor dem Platzen von Immobilienblasen schützen soll (die in der Regel dazu führt, dass Wohneinheiten aus kleinem privatem oder öffentlichem Besitz in institutionelle Portfolios überführt werden), und der die Finanzierung von öffentlichen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau fördert.
Der Wohnungsfonds könnte sich an einigen erfolgreichen nationalen Modellen der Wohnungsbaufinanzierung orientieren, in denen bestimmte Mittel für den Bau von Sozialwohnungen vorgesehen sind. Als Beispiel dafür wird im Bericht Deutschland genannt, wo die nationalen Renten- und Sozialversicherungsfonds zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus genutzt werden und die Regierungen die Versicherungsgesellschaften verpflichten, in den Wohnungsbau zu investieren.
Weiter wird eine „Red Flag Rule“ für neue Regulierungsinitiativen auf europäischer Ebene gefordert, um sicherzustellen, dass diese das Risiko von Immobilienanlagen für institutionelle Eigentümer nicht verringern.

Schließlich wird in der Studie ein erweitertes makroprudenzielles Mandat für die europäischen Zentralbanken gefordert, um auf die Hauspreisinflation zu reagieren, und zwar durch strengere, aber sozial gerechte Regulierung der Hypothekarkreditvergabe nach Beispielen Schwedens und Neuseelands.
Positiv in der Studie ist der Vorschlag zur Einführung eines Europäischen Wohnungsfonds, der die Investitionen der Anbieter von Sozialwohnungen stimulieren würde, um den Rückgang des Angebots an bezahlbaren Sozialwohnungen in ganz Europa zu stoppen und die für die Dekarbonisierung des europäischen Wohnungsbestands erforderlichen Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zu unterstützen.
Die tendenziell kritische Betrachtung von börsennotierten Wohnungsunternehmen vernachlässigt ihre wichtige gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Rolle. Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, die Bewältigung der großen gesellschaftlichen Aufgaben des Klimaschutzes, des altersgerechten Umbaus und des Ausbaus der digitalen Infrastruktur sind ohne das Engagement privater Investoren nicht zu schaffen.
Außerdem ist es wichtig, zwischen institutionellen Vermietern, die ihre Wohnimmobilien nur kurzfristig halten und denjenigen, die eine langfristige Wachstumsstrategie verfolgen und ihre Bestände halten, zu unterscheiden.

Özgür Dr. Özgür Öner 0032 2 5501611