13. September 2021 Europabrief

GdW Europabrief 11/2021

EUGH verurteilt Deutschland wegen fehlender Unabhängigkeit der Energieregulierungsbehörde

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat am Donnerstag, den 2. September 2021, entschieden, dass Deutschland gegen seine Verpflichtungen in Bezug auf die Richtlinien 2009/72 und 2009/73 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt den Erdgasbinnenmarkt verstoßen hat.
Das Gericht stimmte der Behauptung der Europäischen Kommission zu, dass die deutschen Behörden die Richtlinien nicht angemessen umgesetzt haben. Insbesondere habe die deutsche Regulierungsbehörde nicht den vollen Ermessensspielraum bei der Festlegung der Netznutzungsentgelte. Außerdem sei das deutsche Modell eines unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers problematisch.
Mit der Richtlinie 2003/54/EG wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Regulierungsbehörden mit spezifischen Befugnissen einzurichten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sie oft nicht ausreichend unabhängig sind und es ihnen an der nötigen Sachkenntnis und Ermessensspielraum mangelt. Die Energieregulierungsbehörden müssen in der Lage sein, Entscheidungen in allen relevanten Regulierungsfragen zu treffen, damit der Strombinnenmarkt ordnungsgemäß funktionieren kann, und sie müssen völlig autonom handeln.
Die Kommission stützt ihre Klage auf vier Rügen, die sich alle auf die nicht ordnungsgemäße Umsetzung des Energiewirtschaftsgesetzes beziehen.

  • In ihrer ersten Rüge wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, den Begriff des „vertikal integrierten Unternehmens“ (VIU) nicht ordnungsgemäß in ihr nationales Recht umgesetzt zu haben, da der Begriff in § 3 Nr. 38 EnWG sich auf Unternehmen beschränkt, die ihre Tätigkeit in der Union ausüben.
  • Mit ihrer zweiten Rüge beanstandet die Kommission, dass das Land die Bestimmungen über die Übergangsfristen nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe, die für alle Arbeitsplätze oder Aufgaben, Beteiligungen oder Geschäftsbeziehungen gelten, die direkt oder indirekt innerhalb, bei oder mit der VIU, ihren Parteien und ihren Mehrheitsaktionären mit Ausnahme des Übertragungsnetzbetreibers unterhalten werden.
  • Mit der dritten Rüge wird Deutschland vorgeworfen, Art. 19 Abs. 5 der Richtlinien 2009/72 und 2009/73 unzureichend umgesetzt zu haben, da die Verpflichtung zur Veräußerung von Beteiligungen am Kapital des VIU, die vor dem 3. März 2012 erworben wurden, nur für Beteiligungen von Mitgliedern der Geschäftsführung des Übertragungsnetzbetreibers gelte, nicht aber für Beteiligungen von dessen Mitarbeitern.
  • Schließlich bezieht sich die vierte Rüge auf § 24 Satz 1 EnWG, der der Bundesregierung die Befugnis zur Festsetzung der Übertragungs- und Verteilungstarife sowie zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu den nationalen Netzen und der Bedingungen für die Erbringung von Ausgleichsleistungen einräumt, während diese Befugnisse nach den genannten Vorschriften ausschließlich den nationalen Regulierungsbehörden zustehen.

Dies Urteil kann auch Auswirkungen auf die Regulierung der Multimediakabelnetze haben, die im Lichte der vom EUGH aufgestellten Kriterien ebenfalls überprüft werden könnten.

Özgür Dr. Özgür Öner 0032 2 5501611