GdW Europabrief 08/2024
Team von der Leyen II
Ursula von der Leyen hat am 17. September 2024 die Mitglieder des neuen Kollegiums der Europäischen Kommission vorgestellt. Ihr Team wird aus 6 Exekutiv-Vizepräsident/innen (darunter 4 Frauen und einer Vizepräsidentin) und 20 Kommissar/innen (darunter 7 Frauen) bestehen. Die Struktur des neuen Kollegiums basiert auf den politischen Leitlinien, die von der Leyen zuvor in ihrer Bewerbungsrede im Juli vorgestellt hatte, und soll die grundlegenden Prioritäten der nächsten Amtszeit widerspiegeln: Wohlstand, Sicherheit und Demokratie. Hintergrund, so von der Leyen, sei die Wettbewerbsfähigkeit im digitalen und ökologischen Wandel, die eng miteinander verbunden seien. Insgesamt ist das gesamte Kollegium der Wettbewerbsfähigkeit verpflichtet.
Ursula von der Leyen hat 6 Prioritäten definiert, die sich in den einzelnen Ressorts der Exekutiv-Vizepräsident/innen und Vizepräsidentin wie folgt widerspiegeln:
1. Henna Virkkunen – Exekutiv-Vizepräsidentin für Sicherheit, Demokratie und Werte: Stärkung der technologischen Souveränität, der Sicherheit und der Demokratie
2. Teresa Ribera Rodriguez – Exekutive Vizepräsidentin für einen sauberen, gerechten und wettbewerbsfähigen Übergang: Aufbau einer wettbewerbsfähigen, dekarbonisierten Kreislaufwirtschaft – und eines fairen Übergangs für alle
3. Stéphane Séjourné – Exekutiver Vizepräsident für Wohlstand und eine europäische Industriestrategie : Entwicklung einer mutigen Industriestrategie, die Innovation und Investitionen in den Mittelpunkt stellt
4. Raffaele Fitto – Exekutiv-Vizepräsident für Kohäsion und Reformen: Stärkung des europäischen Zusammenhalts und der Regionen
5. Roxana Mînzatu – Exekutiv-Vizepräsidentin für Fachkräfte, Kompetenzen und Vorausschau: Stärkung der Kompetenzen der Europäerinnen und Europäer und Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Sozialmodells
6. Kaja Kallas – Hohe Vertreterin und Vizepräsidentin: Wahrung europäischer Interessen und Führungsrolle in der Welt
Im Vergleich zum vorherigen Kollegium entfällt die mittlere Ebene der Vizepräsidenten fast vollständig, mit Ausnahme von Kaja Kallas, die Vizepräsidentin und Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik ist. Hervorgehoben wird, dass alle Mitglieder der Kommission gleichberechtigt sind und die gleiche Verantwortung für die Umsetzung der gemeinsamen Prioritäten tragen, die eine enge ressortübergreifende Zusammenarbeit erfordern. Darüber hinaus ist jedem Kommissionsmitglied eine Generaldirektion zugeordnet, die es bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützt.
Die Aufgaben der einzelnen Kommissare sind in den „Mission Letters“ festgelegt, die von der Leyen an die einzelnen Kommissare gerichtet hat. Allen gemeinsam ist der Auftrag, zur Erreichung der Klimaziele bis 2030 und der Klimaneutralität bis 2050 beizutragen. Bestehende Regelungen sollen zukunftsfähig gemacht, Bürokratie abgebaut und Gesetze vereinfacht werden. Berichtspflichten sollen um mindestens 25% reduziert werden, für KMU um mindestens 35%. Zudem sollen alle Vorschläge der neuen Kommission evidenzbasiert sein. Schließlich fordert von der Leyen die Kommissare auf, vier Berichte, darunter den Draghi- und den Letta-Bericht, bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen.
Von besonderer Bedeutung für die Wohnungswirtschaft ist das Ressort des Kommissars für Energie und Wohnungswesen. Ein solches Ressort hat es in der Kommission noch nie gegeben. Von der Leyen hat dieses Portfolio dem dänischen Sozialdemokraten Dan Jørgensen übertragen. Jørgensen ist seit Mitte Dezember 2022 Minister für Entwicklungszusammenarbeit und Globale Klimapolitik in Dänemark. Zuvor war er von 2019 bis 2022 Minister für Klima, Energie und Versorgung. Darüber hinaus hat er bereits neun Jahre Erfahrung als Europaabgeordneter in Brüssel gesammelt.
Während seiner Amtszeit als Kommissar wird er sowohl für den Energie- als auch für den Bereich Wohnungswesen zuständig sein, wobei der Schwerpunkt auf dem Energiebereich liegen wird.
Jørgensens Aufgaben werden sich insbesondere auf die Vollendung der Energieunion, die Senkung der Energiepreise für Haushalte und Unternehmen, saubere Energie, den Ausbau der Netzinfrastruktur und die Entwicklung eines sicheren Energiesystems unter Berücksichtigung der Technologieneutralität konzentrieren. Seine Arbeit soll dazu beitragen, Energiearmut zu bekämpfen und den Übergang sozial, gerecht und wettbewerbsfähig zu gestalten.
Um dies zu erreichen, wird von ihm erwartet, dass er eine Reihe von Aktionsplänen und Initiativen vorlegt, u.a.:
- einen Aktionsplan für bezahlbare Energiepreise
- einen Aktionsplan zur Elektrifizierung
- einen Fahrplan zur Beendigung der russischen Energieimporte und vollständige Umsetzung des RepowerEU-Plans.
- eine Initiative zur Förderung erneuerbarer Energien und der Energiespeicherung
- eine Strategie für Investitionen in saubere Energie
Im Bereich Energie sind insbesondere folgende Aspekte relevant: Die Integration der Energiesysteme vorantreiben, um u.a. zusätzliche Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen aufnehmen zu können. Dazu gehören z.B. die Dekarbonisierung von Heizung und Kühlung und die Steigerung der Energieeffizienz. Darüber hinaus soll gemeinsam mit dem Klimakommissar ein Rahmen geschaffen werden, um die Subventionen für fossile Energieträger weiter zu reduzieren und schrittweise abzubauen.
Die Forderungen für den Bereich Wohnen sind dagegen überschaubar. So soll Jørgensen einen europäischen Plan für bezahlbares Wohnen vorlegen, der den Städten und Mitgliedstaaten technische Unterstützung bietet, sich aber auch auf notwendige Investitionen und Qualifikationen konzentriert. Teil des Plans wird eine europäische Wohnungsbaustrategie sein, um die Bereitstellung von Wohnraum zu unterstützen. Zu den Maßnahmen sollen die Senkung der Baukosten, die Verbesserung der Qualifikation der Arbeitskräfte, die Steigerung der Produktivität und die Verbesserung der Umweltverträglichkeit des Bauens gehören.
Darüber hinaus soll eine europäische Investitionsplattform der EIB geschaffen werden, die eine enge Zusammenarbeit mit internationalen Finanzinstitutionen, nationalen Förderbanken und -institutionen sowie anderen Akteuren vorsieht. Ein Vorschlag, der die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen soll, dem Wohnungsmarkt Liquidität zuzuführen und die geplanten kohäsionspolitischen Investitionen in bezahlbaren Wohnraum zu verdoppeln, ist ebenfalls vorgesehen.
Ein wichtiger Aspekt Jørgensens Arbeit wird die Unterstützung staatlicher Beihilferegelungen zur Förderung des Wohnungsbaus, insbesondere der Energieeffizienz und des sozialen Wohnungsbaus sein.
In der Regel wird er unter der Leitung von Vizepräsidentin Ribera Rodriguez stehen. Er wird aber auch eng mit dem Exekutiv-Vizepräsidenten für Kohäsion und Reformen und dem Kommissar für Klima, Netto-Null-Emissionen und sauberes Wachstum zusammenarbeiten. Unterstützt soll er werden von der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission und einer neuen Task Force für Wohnungswesen.
Die Benennung eines Wohnungsbaukommissars ist positiv und notwendig, um kommissionsintern zu koordinieren, die Auswirkungen anderer Zuständigkeitsbereiche auf bezahlbares Wohnen zu bewerten, zielgerichtete und koordinierte Lösungen zu entwickeln sowie die Nutzung der EIB-Finanzmittel in den Mitgliedstaaten zu vereinfachen. Aus wohnungswirtschaftlicher Sicht ist es wünschenswert, wenn bei Initiativen nicht nur die ökologischen und sozialen Auswirkungen, sondern insbesondere die ökonomischen Auswirkungen für die Wohnungsunternehmen berücksichtigt werden, ohne dies mit neuen EU-weiten Regulierungen zu verbinden.
Neben dem Kommissar für Energie und Wohnungswesen werden folgende Kommissare für die Wohnungswirtschaft von Bedeutung sein:
Teresa Ribera Rodriguez (ES): Exekutive Vizepräsidentin für einen sauberen, gerechten und wettbewerbsfähigen Übergang -> Umsetzung des Green Deal
Stéphane Séjourné (FR): Exekutiver Vizepräsident für Wohlstand und eine europäische Industriestrategie -> KMU und Binnenmarkt
Raffaele Fitto (IT): Exekutiv-Vizepräsident für Kohäsion und Reformen -> Kohäsionspolitik; regionale Entwicklung und Städte
Wopke Hoekstra (NL): Kommissar für Klima, Netto-Null Emissionen und sauberes Wachstum -> Klimaziele; Klimaanpassung; Dekarbonisierung
Maria Luís Albuquerque (PT): EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen und die Spar- und Investitionsunion -> Vollendung Kapitalmarktunion; Förderung privater Investitionen in Produktivität und Innovation
Jessika Roswall (SE): EU-Kommissarin für Umwelt, Wassersicherheit und eine wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft -> Umweltschutz; nachhaltige, kreislauforientierte und wettbewerbsfähige Wirtschaft
In einem nächsten Schritt werden die vorgeschlagenen Kandidaten voraussichtlich in der zweiten Oktoberhälfte in den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments angehört. Nach der Bestätigung der 26 designierten Kommissionsmitglieder müssen diese noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments erhalten. Sollten alle angenommen werden, könnte die neue Kommission frühestens am 1. November 2024 ihre Arbeit aufnehmen. Allerdings wird erwartet, dass die neue Kommission nicht vor Dezember 2024 ihre Arbeit aufnimmt.