29. April 2020 Pressemeldungen

Umfrage der Wohnungswirtschaft zur Corona-Krise: Drei Viertel der Wohnungsunternehmen erwarten zukünftig höhere Mietausfälle

  • Mietausfälle und -stundungen im Befragungszeitraum April noch gering
  • Investitionsrückgang bei Instandhaltung und Modernisierung erwartet
  • Wohngeld-Bezug muss weiter verbessert werden
  • Hinweis: Der GdW hat im Juni 2020 eine Folgeumfrage durchgeführt – die Ergebnisse finden Sie hier

Berlin – Die Wohnungsunternehmen in Deutschland spüren zunehmend die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Insbesondere bei der Vermietung, der Instandhaltung und Modernisierung der  Wohnungen sowie der Betreuung von Mieterinnen und Mietern sehen sich die Unternehmen mit Beeinträchtigungen konfrontiert. Das ergab eine Befragung des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW unter bundesweit mehr als 2.000 der im Verband organisierten Wohnungsunternehmen. Die Mietausfälle und -stundungen bewegten sich im Befragungszeitraum Mitte April noch auf einem relativ niedrigen Niveau, drei Viertel der Umfrageteilnehmer rechnen aber in Zukunft mit höheren Mietausfällen. Im Gewerbebereich sind die Ausfälle bereits deutlich höher.

„Wenn immer mehr Mieter mit Einkommensausfällen zu kämpfen haben und es nicht mehr schaffen, ihre Miete zu zahlen, hat das unmittelbare Folgen: Viele Wohnungsunternehmen müssen in der Corona-Zeit deshalb ihre Investitionen zurückfahren und auch bei den Instandhaltungen planen jetzt schon viele Unternehmen Einschnitte“, erklärte GdW-Präsident Axel Gedaschko mit Blick auf die Umfrage-Ergebnisse. „Für die kommenden Wochen und Monate ist es deshalb enorm wichtig, dass sowohl die Zahlungsfähigkeit der Mieter als auch damit die Liquidität der Wohnungsunternehmen weiterhin gesichert wird.“ Hier seien insbesondere weitere Verbesserungen beim Wohngeld-Bezug notwendig.

Umfrage-Ergebnisse: Mietausfälle und Stundungen, Rückgang bei Investitionen

Die von den Wohnungsunternehmen berichteten Mietausfälle und Stundungen in der Wohnungsvermietung fielen im Zeitraum der Befragung Mitte bis Ende April noch verhältnismäßig gering aus. Grund ist, dass die strengeren Einschränkungen des öffentlichen Lebens erst im April in Kraft traten. Zu diesem relativ frühen Zeitpunkt im Gesamtverlauf der Corona-Pandemie ließ die finanzielle Lage vieler Mieter eine Zahlung der Miete in den allermeisten Fällen vorerst noch zu. So haben die befragten Unternehmen von Mitte bis Ende April bei rund 15.000 Mietverhältnissen von einem kompletten Zahlungsausfall berichtet – das entspricht 0,66 Prozent der Mietverhältnisse der befragten GdW-Unternehmen und einem finanziellen Minus von insgesamt 6,8 Mio. Euro. Von Stundungsanträgen berichteten die Unternehmen in rund 6.500 Fällen – das waren 0,29 Prozent der Mietverhältnisse und ein Minus von 2,6 Mio. Euro.

Bei der Gewerbevermietung fallen die Auswirkungen schon jetzt wesentlich negativer aus: Bei rund 1.240 betroffenen Mietverhältnissen summiert sich das Minus ausgefallener Monatsmieten laut Umfrageergebnissen auf 3,7 Mio. Euro. Die Summe gestundeter Mieten beläuft sich bei rund 2.800 betroffenen Mietverhältnissen auf insgesamt 9,4 Mio. Euro.

Für den Monat Mai rechnet die Wohnungswirtschaft angesichts anhaltender Einschränkungen, zunehmender Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit mit deutlich höheren Zahlungsausfällen und Stundungen. Drei Viertel der Unternehmen (75 Prozent) gaben in der Umfrage an, dass sie im Zuge der Corona-Krise in Zukunft höhere Mietausfälle erwarten.

Infolge zunehmender Zahlungsausfälle sieht sich mehr als ein Fünftel der befragten Wohnungsunternehmen (21 Prozent) bereits gezwungen, die Investitionen in die Instandhaltung zurückzufahren. Fast ein Viertel der Unternehmen (24 Prozent) plant, Investitionen in weitere Modernisierungsmaßnahmen zu senken.

Domino-Effekt wegbrechender Liquidität verhindern – Wohngeld-Bezug nachbessern

„Eine Kettenreaktion von ausbleibenden Zahlungen und dadurch wegbrechenden Aufträgen für Handwerker und Bauunternehmen muss unbedingt verhindert werden“, betonte der GdW-Chef. „Die bislang Schritt für Schritt getroffenen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung, wie die Vereinfachungen beim Wohngeld-Bezug und die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, sind hier von herausragender Bedeutung. Sie werden aber angesichts des langen, weiteren Verlaufs der Corona-Krise nicht ausreichen.“ Deshalb seien für eine wirklich wirksame Unterstützung durch das wohnungs- und sozialpolitisch bedeutsame Instrument des Wohngeldes folgende Nachbesserungen notwendig:

Anträge auf Wohngeld sollen in der aktuellen Krisensituation bei den zuständigen Behörden laut Hinweisen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) auch formlos oder elektronisch gestellt werden können. Allerdings erfolgt das Prüfungsverfahren in der Praxis zu häufig in analoger Form, was wertvolle Zeit kostet. Die Wohnungswirtschaft fordert deshalb eine rasche und stärkere Digitalisierung der Antrags- und Bewilligungsverfahren bei den Wohngeldbehörden. „Nicht nur in den Wohngeldbehörden, sondern auch in der Verwaltung insgesamt, brauchen wir einen echten Digitalisierungsschub“, forderte Gedaschko.  

Um mehr Mieter in finanzieller Not durch Wohngeld unterstützen zu können, sollten zudem die gesetzlichen Höchstbeträge der zu berücksichtigenden Miete – die sogenannte Mietenstufe – angehoben werden. Die Differenz  zwischen der aktuellen und der dann angehobenen Mietenstufe wäre im Einzelfall vom Bund zu tragen. Darüber hinaus plädiert die Wohnungswirtschaft für einen  pauschalen Zuschlag von 50 Cent pro Quadratmeter. Durch diese zu befristenden Maßnahmen können mehr Haushalte Wohngeld erhalten und ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nur bei der Miete nachkommen. Am Ende würde damit vielen Menschen geholfen werden.   

Ebenfalls zu Gunsten rascher Verfahren sollen laut BMI die zu erbringenden Nachweise auf das für die Wohngeldberechnung zwingend Notwendige beschränkt werden. Damit dies überall eingehalten wird, sollten die BMI-Hinweise gesetzlich oder verordnungsrechtlich bindend gestaltet werden.

Hinzu kommt, dass bei gestundeten Mieten, deren Zeitpunkt der Fälligkeit über den Bewilligungszeitraum des Wohngelds von 12 bis 18 Monaten hinausgeht, als Folge auch das pro Monat ausgezahlte Wohngeld reduziert wird. Um in Not geratene Mieterinnen und Mieter tatsächlich wirksam zu unterstützen, fordert die Wohnungswirtschaft, Mietenreduzierungen – insbesondere Stundungen – eben nicht auf die Höhe des Wohngelds anzurechnen.

Die weiteren Umfrage-Ergebnisse:

Aktuell sieht sich mehr als ein Drittel (34 Prozent) der befragten Wohnungsunternehmen mit hohen oder sehr hohen Auswirkungen durch des Coronavirus und der damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen auf den Geschäftsbetrieb konfrontiert. Langfristig rechnet ebenfalls fast ein Drittel (32 Prozent) der Wohnungsunternehmen mit hohen oder sehr hohenAuswirkungen.

Verzögerungen bei energetischer Modernisierung erwartet

Darüber hinaus rechnet eine Mehrheit der befragten Wohnungsunternehmen mit Verzögerungen von zwei bis vier Monaten, insbesondere bei der energetischen Modernisierung (52 Prozent), bei weiteren Modernisierungsmaßnahmen (62 Prozent) und Instandhaltung (56 Prozent). „Gerade wenn es darum geht, die Klimaziele zu erreichen, müssen Wohnungsunternehmen auch künftig Maßnahmen zur energetischen Sanierung ihrer Wohngebäude durchführen können. Hier sind zukünftig noch viel stärker intelligente Lösungen auf Quartiersebene, wie beispielsweise Mieterstrom-Modelle gefragt, um sowohl den Klimaschutz als auch das Wohnen bezahlbar zu halten. Energieeffiziente Lösungen für Wohnungsunternehmen müssen deshalb künftig deutlich besser gefördert werden“, forderte der GdW-Chef.    

Größte Einschränkungen bei Wohnungsvermietung und Mieterbetreuung

Die größten Einschränkungen herrschen aktuell bei der Vermietung von Wohnungen: Bei über der Hälfte der befragten Unternehmen ist normale Arbeit hier nur mit großen Einschränkungen (42 Prozent) oder gar nicht (11 Prozent) möglich. Bei der Betreuung von Mietern hat die Hälfte der Wohnungsunternehmen mit großen Einschränkungen (41 Prozent) zu kämpfen oder kann diese gar nicht (9 Prozent) durchführen. Bei Instandhaltung und Wartung sieht sich fast ein Drittel der Befragten (28 Prozent) mit großen Einschränkungen konfrontiert, bei Bau- und Modernisierungstätigkeiten fast ein Viertel (24 Prozent). Geringe Einschränkungen gibt es bislang bei rund zwei Drittel der Unternehmen auch in der Verwaltung (64 Prozent).

Auch bei der Nachfrage nach Mietwohnungen lassen sich nach Angaben der Wohnungsunternehmen seit Beginn der Corona-Krise Anfang Februar 2020 Auswirkungen beobachten: Mit 55 Prozent berichtet mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen von einem Nachfragerückgang.

Mehr Armut, Nachbarschaftskonflikte, Einsamkeit und Gewalt in Familien erwartet

Zudem sehen die Wohnungsunternehmen den Zusammenhalt in den Wohnquartieren in ernst zu nehmender Gefahr: Bei insgesamt über der Hälfte der befragten Unternehmen ist soziale Quartiersarbeit seit Beginn der Corona-Krise nur noch mit großen Einschränkungen (27 Prozent) oder gar nicht (25 Prozent) möglich. Mehr als zwei Drittel der Wohnungsunternehmen (71 Prozent) erwarten mittelfristig wachsende Armut und deutlich mehr als die Hälfte (59 Prozent) zunehmende Nachbarschaftskonflikte in ihren Wohnquartieren. Insgesamt 85 Prozent der Befragten rechnen mit mehr sozialer Isolation und Einsamkeit, 60 Prozent mit steigender Gewalt in den Familien. „Angesichts einer solch anhaltenden Ausnahmesituation wie der Corona-Pandemie mit zahlreichen Einschränkungen des öffentlichen und sozialen Lebens, ist in den kommenden Monaten und Jahren wirksame Unterstützung beispielsweise durch das Programm Soziale Stadt dringend notwendig. Nur so werden die Wohnungsunternehmen ihre erfolgreiche Quartiersarbeit der vergangen Jahre aufrecht erhalten und einem Aufflammen sozialer Brennpunkte entgegenwirken können“, betonte Gedaschko.

Positive Effekte: gegenseitige Hilfe, gesellschaftliches Engagement, digitale Vernetzung

Die Wohnungsunternehmen sehen aber auch positive Aspekte: Über die Hälfte der befragten Unternehmen beobachtet, dass sich die gegenseitige Hilfe und Unterstützung in den Nachbarschaften ihrer Wohnquartiere seit Beginn der Corona-Krise verbessert (49 Prozent) oder stark verbessert (2 Prozent) hat. Für die kommenden sechs Monate rechnen drei Viertel der Befragten (75 Prozent) mit weiter zunehmender Nachbarschaftshilfe, 44 Prozent mit mehr gesellschaftlichem Engagement und mehr als drei Viertel (77 Prozent) mit wachsender digitaler Vernetzung.

Überschuldung verhindern – Weg aus der coronabedingten Wirtschaftskrise sichern

„Ziel aller Bemühungen von Bund, Ländern und Kommunen muss es gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft in erster Linie immer sein, eine Überschuldung von Mieterinnen und Mietern zu verhindern und die Liquidität der Wohnungsunternehmen zu erhalten“, unterstrich der GdW-Präsident. „Dann können die Investitionen der Wohnungswirtschaft in die Zukunft des bezahlbaren Wohnens entscheidender Teil eines Weges heraus aus der coronabedingten Wirtschaftskrise sein. Ob und welche weiteren Maßnahmen hierfür notwendig sein werden, müssen der Fortgang der Pandemie, die Entwicklung der Arbeitsmarktzahlen und die wirtschaftlichen Folgen sowie die damit verbundenen weiteren Auswirkungen auf die Wohnungswirtschaft zeigen.“

Die Einrichtung eines staatlichen Sicher-Wohnen-Fonds zur Überbrückung von Mietausfällen und Sicherung der Unternehmensliquidität sieht mit insgesamt 79 Prozent eine große Mehrheit der befragten Unternehmen als sehr wichtig (37 Prozent) oder wichtig (42 Prozent) an. Zinsgünstige Kredite für Unternehmen bewerten fast zwei Drittel der Befragten als sehr wichtig (22 Prozent) oder wichtig (40 Prozent). Die bereits von der Bundesregierung angekurbelte deutliche Vereinfachung bei der Wohngeld-Beantragung sowie das erhöhte Kurzarbeitergeld sorgen bereits für positive Reaktionen bei den Wohnungsunternehmen. So bewerten 60 Prozent der befragten Wohnungsunternehmen die staatlichen Fördermöglichkeiten zur Bewältigung der aktuellen Situation alles in allem als ausreichend, 40 Prozent sehen hier weiteren Verbesserungsbedarf.

Zur Umfrage

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hat im Zeitraum vom 14. bis 24. April 2020 bundesweit 2.068 der im Verband organisierten Wohnungsunternehmen befragt. Die Rücklaufquote lag bei 47 Prozent. Der Großteil der antwortenden Mitglieder waren Wohnungsgenossenschaften (555), gefolgt von kommunalen und öffentlichen Wohnungsunternehmen (250), Immobilienunternehmen der Privatwirtschaft (26), kirchlichen (8) sowie sonstigen Wohnungsunternehmen (10). Die in der Umfrage erfassten Unternehmen verfügen über rund 2,3 Mio. Wohnungen in ganz Deutschland.

In der aktuellen Krisensituation weist der GdW-Präsident aus gegebenem Anlass auch auf die Hilfskampagne „Kein Kind alleine lassen“ des Unabhängigen Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) hin. Weitere Infos, Hilfsangebote und Kampagnenmaterial gibt es unter www.kein-kind-alleine-lassen.de

Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen vertritt als größter deutscher Branchendachverband bundesweit und auf europäischer Ebene rund 3.000 kommunale, genossenschaftliche, kirchliche, privatwirtschaftliche, landes- und bundeseigene Wohnungsunternehmen. Sie bewirtschaften rd. 6 Mio. Wohnungen, in denen über 13 Mio. Menschen wohnen. Der GdW repräsentiert damit Wohnungsunternehmen, die fast 30 Prozent aller Mietwohnungen in Deutschland bewirtschaften.

FAVORIT_URB_0025 Andreas Schichel Leiter Pressestelle & Pressesprecher +49 30 82403-150

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