Mitarbeiterwohnen – Mehr als ein Instrument aktiver Personalpolitik
Politisches Fazit / Forderungen der Verbände
Verbesserte Rahmenbedingungen können Anreize für mehr Mitarbeiterwohnen bewirken.
Vor diesem Hintergrund fordern die Auftrag gebenden Verbände und Institutionen der Studie eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Schaffung neuer Mitarbeiterwohnungen:
- 1. Forderung: Steuerliche Besserstellung der verbilligten Überlassung einer Wohnung an den Arbeitnehmer
Im Fall einer verbilligten Überlassung einer Wohnung durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer entsteht letzterem nach aktuellem Rechtsstand ein geldwerter Vorteil, der lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig ist. Der Wert der verbilligten Überlassung einer Wohnung ist nach dem ortsüblichen Mietpreis zu bemessen. Um das Modell des bezahlbaren Mitarbeiterwohnens, das auch für den Gesamt-Wohnungsmarkt wichtige Entlastungseffekte bewirkt, zu unterstützen, könnte an die Einführung eines speziellen Freibetrages gedacht werden (z.B. 100 bis 150 Euro im Monat).
- 2. Forderung: Aktivierung unternehmenseigener Grundstücke für die Schaffung von Mitarbeiterwohnungen durch Anwendung der Nutzungskategorie „Urbanes Gebiet“
Die Aktivierung von unternehmenseigenen Grundstücken kann ein Problem sein. Nicht jede Fläche kann unmittelbar mit Wohnungsbau beplant werden. Da aber gerade in diesem Fall zusätzliche Bauflächen aktiviert würden, sollte die neue planungsrechtliche Nutzungskategorie „Urbanes Gebiet“ in der Genehmigungspraxis mit Priorität für unternehmenseigene Flächen angewendet werden, die für urbanes Wohnen geeignet sind.
- 3. Forderung: Modell „Mitarbeiterwohnen“ in die soziale Wohnraumförderung der Länder einbinden
Neben der Setzung von Anreizen für das Mitarbeiterwohnen durch neu gestaltete Freibeträge ist auch eine Einbindung des Baus neuer Mitarbeiterwohnungen in die soziale Wohnraumförderung der Länder denkbar. Sollte sich der Bund durch die derzeit in Planung befindliche Grundgesetzänderung auch künftig weiter finanziell an der sozialen Wohnraumförderung beteiligen können, sollte als eine Form der zweckgebundenen Verwendung dieser Mittel die Förderung des Neubaus von Mitarbeiterwohnungen vorgesehen werden.
- 4. Forderung: 7k Einkommenssteuergesetz (EStG) wieder einführen
Der Koalitionsvertrag (S. 129) sieht vor, dass ‚der Bund für seine Beschäftigten […] insbesondere in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten die Wohnungsfürsorge verstärkt wahrnehmen‘ wird. Das Modell des Mitarbeiterwohnens sollte aber icht nur für Bundesbedienstete sondern generell stärker unterstützt werden. Durch die Wiedereinführung des früheren § 7k Einkommensteuergesetz (EStG) könnten über erhöhte Absetzungen für Wohnungen mit freiwilliger Sozialbindung nachgedacht werden. Der ‚alte‘ Paragraph 7k Einkommenssteuergesetz (EStG) sah solche erhöhten Absetzungen über zehn Jahre vor, wenn sich der Investor für den 10-Jahreszeitraum verpflichtet hat, die Wohnung zur landesrechtlich festgelegten Fördermiete an Berechtigte des sozialen Wohnungsbaus, Wohnungsfürsorgeberechtigte oder Arbeitnehmer zu vermieten.
Neben diesen Forderungen an Bund und Länder appellieren die beteiligten Verbände und Institutionen gleichzeitig an Bundes- und landeseigene Unternehmen, Bahn und Post, Unternehmen und Institutionen des Gesundheitswesens aber auch große Unternehmen der privaten Wirtschaft, sich bei der Schaffung von Mitarbeiterwohnungen zu engagieren.
HINTERGRUND:
Ausgangslage angespannte Wohnungsmärkte: Neue Lösungen!
In etlichen Regionen Deutschlands verengen sich seit Jahren die Wohnungsmärkte. Gerade in wirtschaftlich prosperierenden Ballungsräumen werden bezahlbare Wohnungen immer mehr zur Mangelware. Umso gefragter sind innovative Lösungen, die sich aber auch durchaus an bewährten Lösungsansätzen orientieren können.
In der Vergangenheit trugen sogenannte Werkswohnungen zur Marktentlastung bei.
Die derzeitige Marktanspannung vor allem in den Hotspots in Deutschland ist in Teilen auch auf den Rückzug privater Investoren aus dem Bau und Betrieb von Wohnungen zurückzuführen. Hier sind mit den Unternehmen der privaten Wirtschaft wichtige Wohnungsbauakteure teilweise vollständig weggebrochen.
Immer öfter: Mitarbeiterwohnen mit neuer Relevanz.
Im Ergebnis der beiden Studien ist festzustellen: Das Thema betrieblich gestellter Wohnungen für Mitarbeiter erfährt derzeit eine Wiederbelebung – allerdings noch nicht als flächenhaftes Phänomen. Die Untersuchungsergebnisse verweisen hier auf vielfältige, oft sehr unterschiedliche Ansätze. Was lange als Selbstverständlichkeit angesehen wurde, nämlich die Sicherheit des Wohnens für Beschäftigte, ist in einigen Regionen für die Unternehmen heute zu einem relevanten Standortfaktor geworden.
Vor dem Hintergrund einer wachsenden Fachkräfteknappheit gewinnen auch nicht-monetäre Leistungen bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber an Bedeutung, und zwar – das zeigen auch die untersuchten Praxisbeispiele – in völlig unterschiedlichen Lohn- und Gehaltsgruppen. Der Wohnungsmarkt wird zunehmend zum relevanten Standortfaktor, entsprechend beginnt sich die Personal- und Standortpolitik gewerblicher Unternehmen neu auszurichten.
Neben dem traditionellen Werkswohnungsbau gibt es auch neue Modelle zum Mitarbeiterwohnen.
Die dargestellten Praxisbeispiele zeigen: Die analysierten Fallbeispiele zeigen eine große Bandbreite von Ansätzen. Mitarbeiterwohnen ist kein Nischenthema mehr. Die Studie systematisiert die Praxisbeispiele und stellt modellhaft dar, wie Lösungsansätze zu zentralen Fragen und Diskussionspunkten aussehen.
Ein möglicher Weg: Die Kooperation mit einem wohnungswirtschaftlichen Partner.
Drei idealtypische Organisationsmodelle zeigen die Bandbreite an Lösungswegen in der Frage des Mitarbeiterwohnens auf. Zwei der drei skizzierten Organisationsmodelle basieren auf einer mehr oder weniger starken Kooperation mit einem externen Partner. Die Art der Kooperation beeinflusst dabei vor allem Risiko und Aufwand, aber auch mögliche Renditepotentiale und Gestaltungsmöglichkeiten, die beim Bau von Unternehmenswohnungen entstehen. Gibt es unternehmensinterne Flächen, die für eine Bebauung in Frage kommen, hat auch das großen Einfluss auf die Ausgestaltung des Bauvorhabens und kann sich stark auf die spätere Miethöhe auswirken, wie kalkulatorische Beispielrechnungen zeigen.
Mitarbeiterwohnen ist zu bezahlbaren Mieten realisierbar.
Dort, wo es besonders benötigt wird, nämlich vor allem in Ballungsräumen und unter angespannten Wohnungsmarktbedingungen, kann das Mitarbeiterwohnen zu vertretbaren Mieten realisiert werden. Insbesondere dann, wenn unternehmensseitig eigener Baugrund eingebracht wird. Das entsprechende Wohnungsangebot bringt damit Voraussetzungen zum bezahlbaren Wohnen für mittlere Einkommensgruppen mit – und dies für Wohnungen nach aktuellsten energetischen und sonstigen Standards.
Reine Lohnzulagen ändern nichts am Wohnungsangebot – Mitarbeiterwohnen schon.
Auch über das direkte Verhältnis von Arbeitgeber und Beschäftigten hinaus können Aktivitäten zum Mitarbeiterwohnen einen wichtigen Beitrag bei der Entlastung angespannter Wohnungsmärkte leisten – anders als reine Lohnzulagen, die zwar dazu beitragen, die Folgen eines angespannten Wohnungsmarktes für den einzelnen Mitarbeiter abzumildern. Sie sind jedoch unter Umständen dauerhaft kostenwirksam für das Unternehmen – und sie ändern nichts an der bestehenden Angebotsknappheit auf dem Wohnungsmarkt. Zwar werden die jeweiligen Beschäftigten durch die Lohnzulagen im Wettbewerb um Wohnraum bessergestellt. Nachhaltig preisdämpfend wirkt jedoch nur die Ausweitung des Wohnungsangebots durch den Bau neuer Wohnungen.
Mitarbeiterwohnen trägt insgesamt zur Entlastung angespannter Wohnungsmärkte bei.
Zusammengefasst lassen sich folgende grundsätzlichen Aussagen zum Thema Mitarbeiterwohnen treffen:
- Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gab es schätzungsweise 450.000 bezahlbare Werkswohnungen, insbesondere der Deutschen Post, der Deutschen Bahn, der VEBA und vieler anderer Wirtschaftsunternehmen.
- Heute fehlen mehr als 1 Mio. Wohnungen in Deutschland. Um bedarfsgerecht Wohnungen bereitstellen zu können, müssen in den nächsten Jahren rund 400.000 Wohnungen pro Jahr neu in Deutschland gebaut werden. Davon sollten mindestens 60.000 neue Wohnungen für Haushalte mit mittleren Einkommen und 80.000 Wohnungen für Haushalte mit unteren Einkommen – also Sozialmietwohnungen – jährlich erstellt werden. Mit dem Mitarbeiterwohnen zeigt sich ein Modell, das hier einen Beitrag leisten kann.
- Werkswohnungen gibt es heute so gut wie gar nicht mehr. Neue Werkswohnungen wurden in den letzten Jahren kaum gebaut, die private Wirtschaft hat sich nahezu vollständig aus dem Wohnungsbau zurückgezogen.
- Würde ein Teil der Mitarbeiterwohnungen auf den Flächen der öffentlichen und privaten Unternehmen erstellt, wäre das zugleich ein wirksamer Beitrag zur Bereitstellung von Bauland für bezahlbaren Wohnraum.
- In zunehmend angespannten Wohnungsmärkten wird bezahlbarer Wohnraum immer mehr zu einem relevanten Standortfaktor. Bei der Kalkulation der Kaltmieten für Mitarbeiterwohnungen ist davon auszugehen, dass es hier primär um Fachkräftebindung und Standortsicherung geht.
Die Handreichung „Mitarbeiterwohnen“ wurde durch die RegioKontext GmbH im Auftrag nachfolgender Verbände und Institutionen erstellt:
- Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel e.V. – BDB
- Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. – GdW
- Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau e.V.- DGfM
- Deutscher Mieterbund e.V. – DMB
- Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt – IG BAU
- Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V. – ZDB.
Berlin, 09.05.2018