10 Tage vor der Bundestagswahl – Wohnungswirtschaft fordert Weichenstellung für neue Wohnungspolitik in Deutschland
- Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW legt Bewertung der wichtigsten Punkte zur Wohnungspolitik in den Wahlprogrammen vor
Berlin – „Alle politischen Ankündigungen der vergangenen Monate zum Bauen und Wohnen haben in der Realität nicht zum erhofften Ziel geführt. Wir stehen aktuell vor der extremen Situation, dass Normalverdiener in Deutschlands Großstädten so gut wie keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden. Die Wahlprogramme der Parteien bieten für dieses soziale Problem nur versprengte Teillösungen. Ein konsistentes wohnungspolitisches Konzept für die nächste Legislaturperiode bleibt Fehlanzeige.“ Das erklärte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, anlässlich der Veröffentlichung einer Analyse der wohnungspolitischen Forderungen in den Parteiprogrammen und der Vorlage eines Konzepts für eine neue Wohnungspolitik rund zehn Tage vor der Bundestagswahl.
In Deutschland herrschen nicht die notwendigen Voraussetzungen, um ausreichend bezahlbare Wohnungen in Wachstumsregionen zu bauen und gleichzeitig auf lange Sicht lebenswerte ländliche Räume zu schaffen. Das muss sich in der kommenden Legislaturperiode dringend ändern. „Wir brauchen eine starke und selbstbewusste Wohnungspolitik mit einem veränderten Kurs. Die zurückliegenden vier Jahre haben gezeigt, dass Wohnen und Bauen als Querschnittsthemen häufig zwischen anderen Politikfeldern aufgerieben werden. Deshalb ist ein eigenes starkes Ministerium mit politischem Gewicht, das die Bereiche Bauen, Wohnen, Stadt- und Landentwicklung, Raumordnung, Energieeffizienz, Klimaschutz, digitale Infrastruktur und Smart City umfasst, dringend notwendig. Nur so kann es gelingen, die Aufgaben rund um das Bauen und Wohnen zielführend zu koordinieren.“
Union und FDP setzen bei ihren wohnungspolitischen Ideen auf notwendige Anreize, beispielsweise auf Abschreibungsmodelle für den Mietwohnungsbau, die CDU darüber hinaus auf einen erneuten Anlauf bei der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Auf die Mietpreisbremse als „Investitions- und Wohnraumbremse“ wollen die Liberalen verzichten, auch Bundeskanzlerin Merkel hat sich kürzlich dazu bekannt, dass dieses Instrument die eigentlichen Probleme auf unseren Wohnungsmärkten nicht löst. „Mehr Anreize und weniger Regulierung, das ist ein wichtiger Baustein einer neuen Wohnungspolitik“, erklärte der GdW-Präsident. „Aber das ist nicht genug. „Der soziale Zusammenhalt unserer Gesellschaft, der vor Ort in den Wohnquartieren beheimatet ist, lässt sich nicht allein unternehmerisch absichern. Stabile Nachbarschaften mit zukunftsfähigen sozialen Strukturen brauchen ein starkes Engagement auf allen staatlichen Ebenen.“ Eine gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden beim sozialen Wohnungsbau, wie die SPD sie fordert, sei deshalb auch über 2019 hinaus unverzichtbar. Sehr positiv zu werten seien in den Vorschlägen der Sozialdemokraten außerdem der weitere Ausbau des Bundesprogramms „Soziale Stadt“. Dagegen sei der Ruf der Liberalen nach einer grundsätzlichen Subventionsbremse angesichts der großen Herausforderungen im Bereich des Wohnens unrealistisch und mit Blick auf die soziale Sprengkraft nicht verantwortungsbewusst. Gerade durch die zuletzt stark gestiegene Zuwanderung haben sich die Aufgaben der Integration in den Quartieren in kurzer Zeit multipliziert. Hierfür ist zusätzliche, auch finanzielle Unterstützung vor Ort notwendig, wie sie neben SPD auch Grüne und Linke fordern.
Die teils sehr lobenswerten Ansätze zur Quartiersentwicklung, zum Ausbau der Energieerzeugung vor Ort und insbesondere zur Stärkung der ländlichen Räume von SPD, Grünen und Linken dürfen aber nicht gleichzeitig durch ideologisch motivierte Forderungen nach Verschärfungen des Mietrechts wieder zunichte gemacht werden. „Wir brauchen bei einer neuen Wohnungspolitik deutlich mehr Blick für die Realität: Systemfremde Eingriffe und Placebo-Instrumente tragen kein Stück zur Lösung des Wohnungsmangels bei, sondern verschärfen ihn, weil Investitionen ausbleiben. Das hat die im letzten Wahlkampf aus dem Hut gezauberte Mietpreisbremse als Negativbeispiel deutlich gezeigt“, so Gedaschko. „Solche Instrumente erzeugen Politikverdruss: Frustrierte Wähler werden es denjenigen um die Ohren hauen, die ihr Heil im Ordnungsrecht suchen, nicht aber mit aller Kraft die Voraussetzung für mehr bezahlbare neue Wohnungen schaffen.“ Ähnlich verhalte es sich mit der insbesondere von den Linken propagierten „Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit“. „Die letzten 30 Jahren haben deutlich gezeigt, dass eine Abkehr vom damaligen rigiden System der richtige Schritt hin zu mehr Wirtschaftlichkeit der Unternehmen und einem stetig verbesserten Wohnstandard war“, so Gedaschko. Eine Rückkehr zu einem solchen System wäre ein historischer Rückschritt und würde dem stabilen deutschen Immobilienmarkt nur schaden.
„Was der deutsche Wohnungsmarkt am dringendsten braucht, lässt sich in wenigen Worten auf den Punkt bringen: mehr und vor allem bezahlbare Grundstücke, weniger Normen und Regulierung, eine Abkehr von der Preisspirale bei der Grund- und Grunderwerbsteuer sowie auch nach 2019 eine finanzielle Mitzuständigkeit des Bundes für den sozialen Wohnungsbau. Und wir müssen über Stadtgrenzen hinweg zusammen planen, denn allein in den großen Städten können die Herausforderungen nicht zeitgerecht für die Wohnungssuchenden gelöst werden“, fasste Gedaschko zusammen.
Die Weichen für eine neue Wohnungspolitik müssen nach der Wahl in zehn Tagen umgehend gestellt werden. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW legt dazu seinen Masterplan vor:
14 Punkte für eine neue Wohnungspolitik:
1. Bundesbauministerium mit Gewicht: Bauen und Wohnen brauchen ein eigenständiges Ministerium mit Zuständigkeit ebenso für Stadt- und Landentwicklung, Raumordnung, Energieeffizienz, Klimaschutz, digitale Infrastruktur und Smart City.
2. Vorfahrt für den Wohnungsbau: Wir brauchen eine bundesweit verbindliche Musterbauordnung, vergünstigtes Bauland der öffentlichen Hand – bereitgestellt unter der Voraussetzung der Konzeptqualität. Auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ist hier gefordert.
3. Baukosten senken: Die mehr als 20.000 Bauvorschriften und Anforderungen müssen konsequent auf den Prüfstand gestellt, die serielle und standardisierte Bauweise gefördert und dazu eine bundesweit gültige bauliche Zulassung für diese Gebäude geschaffen werden.
4. Gutes Bauklima schaffen: Planungsverfahren müssen vereinfacht und beschleunigt sowie die personellen Kapazitäten in den Bauämtern deutlich aufgestockt werden. Der Bund muss mithilfe einer deutschlandweiten Kampagne für mehr Akzeptanz von Neubauvorhaben sorgen.
5. Ausgewogenes Mietrecht wahren: Das interessengerechte Mietrecht in Deutschland und das Mieter-Vermieter-Verhältnis dürfen nicht durch Wohnungsbau-schädliche Regelungen aufs Spiel gesetzt werden. Das Kostenproblem beim Wohnen lässt sich nicht im Mietrecht lösen.
6. Soziale Verantwortung fördern: Die Wohnungswirtschaft übernimmt seit jeher Verantwortung für den Zusammenhalt der Gesellschaft und den sozialen Frieden. Auch deshalb sollte die Gründung kommunaler Unternehmen und von Genossenschaften stärker unterstützt werden.
7. Steuerliche Regelungen der Realität anpassen: Bezahlbarer Wohnungsbau braucht entsprechend dem heutigen Werteverzehr eine Anhebung der steuerlichen Normalabschreibung auf 3 Prozent, in angespannten Märkten auf 4 Prozent, eine zeitlich befristete und räumlich begrenzte steuerliche Sonderabschreibung sowie eine alternative Investitionszulage – und eine Grunderwerbsteuer von maximal 3,5 Prozent.
8. Förderung ermöglicht bezahlbares Wohnen: Der Bund muss sich im Zusammenspiel mit den Ländern auch nach 2019 weiter finanziell an der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe des sozialen Wohnungsbaus beteiligen. Die Städtebauförderung muss auf hohem Niveau fortgeführt und das Programm „Soziale Stadt“ gestärkt werden.
9. Ländliche Räume stärken: Die Infrastruktur in Regionen jenseits der Metropolen muss gesichert – Urbanität, Lebendigkeit und Vielfältigkeit gefördert werden, um die Attraktivität dieser Regionen vor allem für junge Menschen zu stärken.
10. Integration – langfristige Aufgabe: Integration ist eine langfristige, nationale Aufgabe, die vor allem in den Wohnquartieren stattfindet. Daher ist ein bundesweites, flexibles Sonderprogramm Integration notwendig.
11. Bezahlbarer Klimaschutz: Energieeinsparrecht und Förderung müssen unter Berücksichtigung des Endenergieverbrauchs konsequent auf das CO2-Minderungsziel ausgerichtet werden. Die energetischen Anforderungen dürfen auf gar keinen Fall noch weiter verschärft werden. Der Blick muss weg vom Einzelgebäude hin zu einem quartiersumfassenden Ansatz.
12. Mieter an der Energiewende beteiligen: Die Energiewende braucht faire Regeln für die dezentrale Stromerzeugung und -verwendung. Dazu muss das Mieterstromgesetz weiter ausgebaut, bestehende steuerliche Hemmnisse abgebaut werden und Strom- und Wärmemarkt zusammenwachsen.
13. Rückbau – ein bundesweites Thema: Der Rückbau muss bundesweit in einer neuen Städtebauförderung verankert werden, denn er ist in demografisch schrumpfenden Regionen auch in den nächsten Jahren wegen der zu erwartenden zweiten Leerstandswelle unverzichtbar.
14. Zuhause im Alter ermöglichen: Die ambulante und telemedizinische Versorgung müssen ausgebaut, das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ vom Bund weiter verbessert und mittelfristig mit jährlich 100 Mio. Euro ausgestattet sowie geeignete technische Assistenzsysteme in das Leistungsrecht der Kranken- und Pflegekassen aufgenommen werden.
Das ausführliche Booklet „14 Punkte für eine neue Wohnungspolitik“ mit anschaulichen Grafiken finden Sie hier.
Die Bewertung der wichtigsten Punkte der Wohnungspolitik in den Wahlprogrammen zum Download finden Sie hier.
Die Pressemitteilung zum Download finden Sie hier.
Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen vertritt als größter deutscher Branchendachverband bundesweit und auf europäischer Ebene rund 3.000 kommunale, genossenschaftliche, kirchliche, privatwirtschaftliche, landes- und bundeseigene Wohnungsunternehmen. Sie bewirtschaften rd. 6 Mio. Wohnungen, in denen über 13 Mio. Menschen wohnen. Der GdW repräsentiert damit Wohnungsunternehmen, die fast 30 Prozent aller Mietwohnungen in Deutschland bewirtschaften.